08.03.2019
TEXT: Suleika BaumgartnerFOTOS: www.frauenstreik2019.ch
Plakat des ersten landesweiten Frauenstreiks in der Schweiz 1991

Am 14. Juni 1991 beteiligten sich eine halbe Million Menschen am ersten landesweiten Frauenstreik der Schweiz.

Internationaler Frauentag

Taten statt Worte

Am Internationalen Tag der Frau war in Deutschland Streik angesagt. Um 5 vor 12 legten Frauen eine Pause ein – sie schnappten sich einen Stuhl und liessen sich im öffentlichen Raum nieder. Sie zeigten damit, dass Streik funktionieren kann, wenn nur genug Menschen mitmachen. Derweil formierten sich in grösseren Schweizer Städten ebenfalls Streikkomitees. Sie diskutierten an Retraiten (beispielsweise am 10. März 2019 in Biel) darüber, wie frau am kommenden 14. Juni klar und deutlich sagen kann: Es reicht!

Vor 37 Jahren, am 14. Juni 1981, haben die Schweizer Stimmberechtigten einen Verfassungsartikel zur Gleichstellung von Männern und Frauen angenommen. Vor 22 Jahren, am 1. Juli 1996, trat das Gleichstellungsgesetz in Kraft. 

Und doch musste auch dieses Jahr wieder ein Equal Pay Day stattfinden (siehe Info-Box). 

Frauen demonstrieren gegen Lohnungleichheit.
Foto: Eric Roset

Was ist der Equal Pay Day?
Der Equal Pay Day (EPD) ist ein internationaler Aktionstag für Lohngleichheit zwischen Männern und Frauen. Er macht auf die sogenannte Lohnlücke aufmerksam. Der «Tag für gleiche Bezahlung» wurde 1966 in den USA ins Leben gerufen. In der Schweiz findet der EPD seit 2009 auf Initiative der Business and Professional Women Switzerland statt. 

Formel für die Berechnung:
365 / 100 * 14,6 = 53 (gerundet)
(365 Tage multipliziert mit dem statistisch ermittelten Entgeltunterschied von 14,6 Prozent gemäss Lohnstrukturerhebung 2016)

Deshalb fand 2019 der Equal Pay Day in der Schweiz am 22. Februar statt. Bis zu diesem Tag arbeiteten Frauen demnach gratis, während Männer für gleichwertige Arbeit bereits ab dem 1. Januar Lohn erhielten. Quelle: equalpayday.ch

Frauenarbeit ist also weniger wert als Männerarbeit?! Nein, ist sie eben nicht! Aber Frauen erhalten im privaten Sektor laut Bundesamt für Statistik noch immer rund 20 Prozent weniger Lohn als Männer. Okay, okay, ich weiss, liebe Männer, ihr könnt es nicht mehr hören. Doch weshalb ändert sich dann nichts?

Jede Veränderung beginnt im Kopf. In den Köpfen von nicht wenigen Männern (und auch Frauen) in diesem Land schwirren noch immer abstruse Ideen herum. Zum Beispiel, wenn es um Sexismus geht. Doch das ist ein Thema für sich.

Zurück zur Lohnungleichheit, die sehr wohl etwas mit Sexismus zu tun hat. Denn es gibt schlicht keine Argumente mehr gegen Lohngleichheit. So sind jüngere Frauen mindestens gleich gut, wenn nicht sogar besser qualifiziert als ihre männlichen Pendants, schmeissen aber zusätzlich den Haushalt und/oder erziehen die Kinder. 

Das McKinsey Global Institute hat errechnet, dass die Reduzierung des «Gender Gaps» in Zeiten von stagnierendem Wachstum und Fachkräftemangel nicht nur gerecht wäre, sondern auch das weltweite BIP bis 2025 um 12 Billionen Dollar steigern würde. 

Weil Frauen oft Teilzeit arbeiten, sind sie aber auch bei den Altersrenten benachteiligt. Frauen zahlen drauf, obwohl Studien zeigen, dass Teilzeit für Arbeitgeber betriebswirtschaftlich rentabel sein kann. Kommt dazu, dass die um die Jahrtausendwende geborene Generation ganz allgemein weniger arbeiten möchte, aber die Entscheidungsträger in der Wirtschaft ein Problem damit haben. Dabei wäre eine gute Balance zwischen Arbeits- und Privatleben im Interesse aller – das Burnout lässt grüssen.

Das Mantra der letzten Jahre – Freiwilligkeit zuerst! – hat ausgedient. Mit List allein kommen wir nicht weiter. Und mit Lächeln und Charme ohnehin nicht. Denn die Fakten sind unangenehm. 

Logo Frauenstreik 2019 Schweiz

Tag der Frau und Frauenstreiktag
Der Internationale Frauentag wird jährlich am 8. März begangen. Er entstand als Initiative sozialistischer Organisationen in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg im Kampf um Gleichberechtigung, das Wahlrecht für Frauen und die Emanzipation von Arbeiterinnen. Die Vereinten Nationen legten ihn später als Tag für die Rechte der Frau und den Weltfrieden fest.

Unter dem Motto «Wenn Frau will, steht alles still» legten am 14. Juni 1991 schweizweit gegen eine halbe Million Frauen die Arbeit nieder und tauchten Strassen und Plätze in ein Meer von Lila. Sie protestierten gegen die zögerliche Umsetzung des Gleichstellungsartikels (am 14. Juni 1981 wurden die gleichen Rechte von Mann und Frau in der Verfassung verankert). Für den 14. Juni 2019 ist wieder ein Frauenstreiktag angesagt. https://frauenstreik2019.ch

Gefragt sind «Taten statt Worte». Diese Losung stammt aus den 1980er-Jahren, ist aber so aktuell wie nie. Damals ging es um Führungspositionen von Frauen. Heute wirbt der Grossverteiler Coop mit dem gleichen Motto für sein Öko-Programm. Wahrlich kein Fortschritt.

Die freiwilligen Lohnanalysen haben nicht gefruchtet. Im vergangenen Dezember gab es immerhin einen Mini-Erfolg. Unternehmen, die mindestens 100 Mitarbeitende beschäftigen, sind neu verpflichtet, alle vier Jahre eine Lohnanalyse durchzuführen. Dies beschloss das Parlament am 14. Dezember 2018 im Rahmen der Revision des Gleichstellungsgesetzes. Ein Mini-Erfolg deshalb, weil die Vorlage, welche Bundesrätin Simonetta Sommaruga noch als Justizministerin präsentiert hatte, total verwässert worden ist.

Deshalb: Es braucht mehr Druck. Öffentlichen Druck. Es wird laut werden in 97 Tagen: Frauenstreik ist angesagt. Und zwar für

• mehr Lohn: faire Löhne und Lohngleichheit

• mehr Zeit: mehr Zeit und Geld für Betreuungsarbeit

• mehr Respekt: Respekt am Arbeitsplatz

Frauenrechte sind Menschenrechte. Sie gehen alle etwas an, so wie Gleichstellung allen nützt. Wer das unterstützen möchte, ist eingeladen, dabei zu sein.
Wir sehen uns: am 14. Juni 2019.